Die Darm-Gehirn-Achse

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Der Begriff „Darm-Gehirn-Achse“ bezieht sich auf die ständige bidirektionale Kommunikation zwischen dem Magen-Darm-Trakt und dem Gehirn.


Die Vorstellung, dass der Darm das Gehirn und damit auch das Verhalten beeinflusst, ist weithin bekannt und anerkannt. Das Konzept hat mit Begriffen wie „Bauchgefühl“, „aus dem Bauch heraus“ und „Schmetterlinge im Bauch“ Einzug in die Alltagssprache gehalten. Trotzdem haben Wissenschaftler erst vor kurzem begonnen, die Mechanismen hinter der Darm-Gehirn-Achse zu entschlüsseln. Diese Kommunikation über die Darm-Gehirn-Achse ist der zentrale Untersuchungsgegenstand eines sich neu herausbildenden Forschungsgebiets, der Neurogastroenterologie.

Die Hinweise mehren sich, dass Darmmikroben eine Rolle bei der normalen Entwicklung des Nervensystems, der Biochemie im Gehirn und dem Verhalten spielen.1 Insbesondere mehren sich die Hinweise, dass die Darmmikrobiota ein wichtiger Knotenpunkt der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn sind. Auf diesen Erkenntnissen ist der neue Fachbegriff „Mikrobiota-Darm-Hirn-Achse“ hervorgegangen.

 

 

 

 

Die Mikrobiota nutzt verschiedene Kanäle, um mit dem Gehirn und dem zentralen Nervensystem (ZNS) zu kommunizieren, darunter:

  • Das enterische Nervensystem (ENS): Das ENS wird manchmal als „zweites Gehirn“ bezeichnet und besteht aus Hunderten von Millionen von Neuronen, die sich über die gesamte Länge des Verdauungstrakts erstrecken. Dieses System kommuniziert subtile Veränderungen im Magen-Darm-Trakt über den Vagusnerv an das Gehirn. Die primären Bahnen des Vagusnervs vermitteln die Kommunikation zwischen den Darmmikroben und dem ZNS.
  • Das sympathische Nervensystem: Die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin aus dem Gehirn und den Nebennieren führt zu den Verhaltensreaktionen Kampf, Flucht oder Erstarren und kann auch die Darmmotilität verändern.
  • Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse: Dieses System reguliert die Ausschüttung von Cortisol, das die unmittelbare Stressreaktion beeinflusst. Die Forschung hat gezeigt, dass die Darmmikrobiota die Entwicklung dieser neuronalen Systeme beeinflussen kann, die die endokrine Reaktion auf Stress steuern.
  • Immunsignale: Eine andere Art und Weise, wie die Darmmikrobiota Nachrichten an das Gehirn zu verändern scheint. Es gibt Hinweise darauf, dass die Darmmikrobiota Immunzellen in der Darmschleimhaut beeinflussen kann, die die Aktivität der sensorischen Neuronen des ENS verändern. Diese Immunzellen setzen Zytokine frei, die für die Reaktion des Wirts auf Entzündungen und Infektionen wichtig sind.
  • Stoffwechselprodukte von Darmbakterien: Durch die Fermentierung und den Stoffwechsel unverdaulicher Fasern (z. B. Präbiotika) produziert die Darmmikrobiota kurzkettige Fettsäuren (SCFAs) wie Acetat, Butyrat, Laktat und Propionat. SCFAs sind als besonders wichtige Metaboliten mit möglichem Einfluss auf die Gehirnfunktion identifiziert worden. Darüber hinaus tragen der Magen-Darm-Trakt und seine Bakterien zur körpereigenen Produktion von Hormonen und Neurotransmittern, einschließlich Dopamin und Serotonin, bei.

Die Mikrobiota-Darm-Gehirn-Achse

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Mit einer Veränderung der Darmmikrobiota durch Ernährungsinterventionen geht die Möglichkeit einher, die Kommunikation zwischen Darm und Hirn zu fördern und möglicherweise sogar auf das Verhalten und die Stimmung einzuwirken.

In wissenschaftliche Untersuchungen wurden zahlreiche Zusammenhänge zwischen Darmbakterien und Krankheiten wie Fettleibigkeit, Alzheimer und Angstzuständen bei Haustieren aufgezeigt.2-4 Besonders Letzteres ist wichtig, da bis zu 70 % der Verhaltensstörungen bei Hunden auf eine Form von Angst zurückzuführen sind.5

Eine zentrale Aufgabe von Tierärzten ist die Erkennung und Behandlung von Verhaltensproblemen, wie z. B. Angstzuständen, bei ihren Patienten.6

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Haustierbesitzer erkennen möglicherweise nicht alle Anzeichen von Angst und Unruhe oder melden sich erst, wenn das Problem schon fortgeschritten ist und eine Krisensituation herrscht.7

FOLGEN VON ANGSTZUSTÄNDEN

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Bis zu 70 % der Verhaltensstörungen bei Hunden sind auf irgendeine Form von Angst zurückzuführen,5 und Verhaltensstörungen sind einer der Hauptgründe für die Abgabe von Haustieren an Tierheime.8

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Angst kann physiologische und verhaltensbezogene Auswirkungen haben, wie z. B. eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten, eine erhöhte Herzfrequenz, Magen-Darm-Störungen, Auf- und Ablaufen oder im Kreis gehen und Veränderungen des Appetits.10

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Stress kann auch das geistige und soziale Wohlbefinden des Tieres beeinträchtigen und zur Entwicklung von chronischer Frustration und sozialen Phobien führen.11

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Forschung von Purina

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Ein Bakterienstamm, Bifidobacterium longum (B. longum), hilft Hunden nachweislich, ein ruhiges Verhalten zu bewahren.

In einer geblindeten Crossover-Studie fanden Wissenschaftler von Purina heraus, dass Hunde, die mit Bifidobacterium longum gefüttert wurden, im Vergleich zu Hunden, die ein Placebo erhielten, deutlich weniger ängstliche Verhaltensweisen zeigten. Die Mehrheit der untersuchten Hunde zeigte auch eine niedrigere Herzfrequenz und einen niedrigeren Cortisolspiegel im Speichel.

Sowohl in Bezug auf das Verhalten als auch auf die Physiologie hatte B. longum eine angstmindernde Wirkung auf ängstliche Hunde.

Videoserie „Wir stellen Wissenschaftler vor“ des Purina Institute

Links zum englischen Video in Deutscher Übersetzung nicht verfügbar

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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Darmmikrobiota ist für die ständige bidirektionale Kommunikation zwischen Darm und Gehirn über das Nervensystem, das Immunsystem, die neuroendokrinen Bahnen und die Stoffwechselprodukte unerlässlich.
  • Immer mehr Hinweise deuten darauf hin, dass die Darmmikrobiota zur normalen neuronalen Entwicklung, zur Biochemie des Gehirns und zum Verhalten beiträgt.
  • Ernährungsinterventionen, die die Zusammensetzung der Darmmikrobiota beeinflussen können, haben das Potenzial, Verhalten und Stimmung zu verändern.
  • Angst spielt bei vielen Verhaltensstörungen von Hunden eine Rolle und kann sich negativ auf die körperliche und geistige Gesundheit des Tieres sowie auf die Bindung zwischen Besitzer und Haustier auswirken.
  • Die Wissenschaftler von Purina haben gezeigt, dass ein Stamm von B. longum nachweislich dazu beiträgt, ein ruhiges Verhalten von Hunden zu unterstützen.

Weitere Informationen

1. Shen, H. H. (2015). Microbes on the Mind. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112(30), 9143 – 9145. DOI: 10.1073/pnas.1509590112

2. Dinan, T. G. und Cryan, J. F. (2017). Gut–brain axis in 2016: Gut-brain axis in 2016: Brain-gut-microbiota axis - mood, metabolism and behaviour. Nature Reviews Gastroenterology & Hepatology, 14(2), 69–70. DOI: 10.1038/nrgastro.2016.200

3. Köhler, C. A., Maes, M., Slyepchenko, A., Berk, M., Solmi, M., Lanctot, K. L. und Carvalho, A. F. (2016). The gut-brain axis, including the microbiome, leaky gut and bacterial translocation: Mechanisms and pathophysiological role in Alzheimer's disease. Current Pharmaceutical Design, 22(40), 1 – 15. DOI: 10.2174/1381612822666160907093807

4. McGowan, R. T. S., Barnett, H. R., Czarnecki-Maulden, G. L., Si, X., Perez-Camargo, G. und Martin, F. (2018, Juli). Tapping into those ‘gut feelings’: Impact of BL999 (Bifidobacterium longum) on anxiety in dogs. Veterinary Behavior Symposium Proceedings, Denver, CO, S. 8–9.

5. Beata, C., Beaumont-Graff, E., Diaz, C. Marion, M., Massal, N., Marlois, N., Muller, G. und Lefranc, C. (2007). Effects of alpha-casozepine(Zylkene) versus selegiline hydrochloride (Selgian, Anipryl) on anxiety disorders in dogs. Journal of Veterinary Behavior, 2, 175 – 183.

6. Stelow, E. (2018). Diagnosing behavior problems: A guide for practitioners. Veterinary Clinics of North America, 48(3), 339 – 350. DOI:10.1016/j.cvsm.2017.12.003

7. Ballantyne, K. C. (2018). Separation, confinement, or noises: what is scaring that dog? Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 48(3), 367–386. DOI:10.1016/j.cvsm.20112.005

8. Salman, M. D., Hutchison, J., Ruch-Gallie, R., Kogan, L., New, J. C., Kass, P. H. und Scarlett, J. M. (2000). Behavioral reasons for relinquishment of shelter dogs and cats to 12 shelters. Journal of Applied Animal Welfare Science, 3(2), 93–106.

9. Tanaka, A., Wagner, D. C., Kass, P. H. und Hurley, K. F. (2012). Associations among weight loss, stress, and upper respiratory tract infection in shelter cats. Journal of the American Veterinary Medical Association, 240(5), 570–576. DOI: 10.2460/javma.240.5.570

10. Landsberg, G., Hunthausen, W. und Ackerman, L. (2013). Behavior Problems of the Dog & Cat. Great Britain: Saunders Elsevier. S. 181–182.

11. Mills, D., Karagiannis, C. und Zulch, H. (2014). Stress – Its effects on health and behavior: A guide for practitioners. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 44, 525 – 541.

12. Mariti, C., Gazzano, A., Moore, J. L., Baragli, P., Chelli, L. und Sighieri, C. (2012). Perception of dogs’ stress by their owners. Journal of Veterinary Behavior, 7(4), 213–219.

13. Seibert, L. M. und Landsberg, G. M. (2008). Diagnosis and management of patients presenting with behavior problems. Veterinary Clinics of North America: Small Animal Practice, 38, 937 – 950.

14. Patronek, G. J. und Dodman, N. H. (1999). Attitudes, procedures, and delivery of behavior services by veterinarians in small animal practice. Journal of the American Veterinary Medical Association, 215(11), 1606–1611.